© 2008 Stephan Kotthaus

Peter Janssen Maler und Kunstprofessor

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Übersicht

Eine Eröffnungsrede


Weitgehend von der Kunstkritik unbemerkt war Peter Janssen allzu wenig in Museen vertreten - gar nicht in Berlin, wohin er 1957 von Düsseldorf aus als Professor berufen wurde, auch mit Ausstellungen ist er nicht verwöhnt worden. Dennoch oder vielleicht gerade deshalb ist er mit dem wichtigsten, was ein Maler tun kann, mit Malen beschäftigt.

,,Verlorene Generation", das schien mir immer zu passen und scheint es noch, das sind die um 1910 geborenen Künstler. Künstlertum ist in besonderer Weise mit der Lebensuhr - auch der biologischen Lebensuhr - verknüpft; Thomas Mann hat vom Künstler gefordert, daß er auf allen Lebensstufen charakteristisch fruchtbar sein soll. Gewiß, gewiß, - es gibt die Frühvollendeten: Masaccio starb mit 26 Jahren und Franz Marofiel mit 36 vor Verdun; und es gibt die Späten: Tizian begann vielleicht erst mit 40 zu malen, malte dann aber fast 60 Jahre lang. Doch wir reden vom Normalfall, obwohl der Künstler natürlich gerade nicht der ,,Normalfall" ist.

So um die 25 hat ein Künstler seine Studienzeit beendet und beginnt sich von den Lehrern zu lösen; erste Ausstellungen in kleinen Galerien und knappe Kritiken geben Hoffnung, dann, im Glücksfall, kommt das Sich - Durchsetzen und Bekannt - Werden, der eigene Stil ist geprägt und mit dem Namen verknüpft, ein Museum kauft, die große Einzelausstellung in der renommierten Galerie bringt den Katalog, es folgen Professur und Einfluß, Schüler und Wirkung, kurz, alles, was heutzutage ,,Künstlers Erdenwallen" ausmacht.

Der Künstlergeneration, die im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts geboren wurde, deren geistiges Erwachen mit dem Ende des Expressionismus zusammenfiel, war dieses, wenn sie nicht auf den Spuren der Schultze-Naumburgs und der Breekers und der Raphael Schuster-Woldans wandelte, nicht beschieden. Gerade die von der besten Art fanden sich plötzlich als Entartete.

1933 war Peter Janssen 27 Jahre alt, war also dabei, sein eigenständiges Künstlerleben zu beginnen. 1923 hatte Janssen die Düsseldorfer Akademie besucht und bei Heinrich Nauen, bei Jan Thorn-Prikker und Karl Ederer gelernt.

Durch Heinrich Nauen, der 1880 in Krefeld geboren wurde und 1940 in Berlin starb, der tätig war in Flandern, in Berlin und in Düsseldorf und zeitweilig der Brücke zugehörte, ist Janssen mit der großen Aufbruchskunst des Expressionismus verbunden. Dem Expressionismus ist er auch auf die direkteste Weise zugehörig durch Jan Thorn-Prikker, seinen und des 17 Jahre älteren Heinrich Campendonk Lehrer, der seinerseits der Lehrer des Freundes Gabriel Schrieber war. Es ist nützlich, sich klarzumachen, daß ein sehr gegenwärtiger Künstler so unmittelbar mit der großen Sonderleistung der deutschen Kunst in diesem Jahrhundert, eben mit dem Expressionismus, verknüpft ist.

Die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen, ,,das Problem der Generation", um mit Wilhelm Pinder zu reden, wird hier aufs erstaunlichste, ja, fast aufs erheiterndste, weil geradezu auf die unglaubwürdigste Weise zur Anschauung gebracht.

Von 1926 bis 1930 war er in Paris und ging von dort für sieben Monate nach Rom. Er hatte sich also umgetan im Gegenwärtigen und im Vergangenen. Thorn-Prikker hatte auch nicht nur die älteren Zeitgenossen, van Gogh und Cezanne, als Idole vorgestellt, sondern auch die Meister der Frühzeit: Giotto und Fra Angelico.

Seit 1933 entsprach der Rheinländer nicht mehr den Herdbuchvorschriften der Übermenschenzüchter die, als sie 1945 bankrottierten, weder wie Männer noch wie Herren abtraten. Er durfte deshalb nicht einmal als Soldat zu überleben versuchen.

Die Albträume und Labyrinthe dieser Jahre sind ihm zu einer unsagbaren Zeit verrottet, unsagbar bis auf das eine Wort für diese zwölf Jahre: da war er, so sagt er:,, ein Abwesender".

 

Kopie des Dokuments mit dem Peter Janssen Malverbot erteiltz wurde. Klicken für eine Vergrößerung

Wer Sprache versteht und die Geschichte dazu, der weiß, daß dies mehr ist als ein literarischer Kafkaismus, sondern daß Zorn und Trauer, Ermüdung und Aufbegehren dieses Schlüsselwort für den Lebensverlust gefunden haben. Der schreckliche Wahnsinn, jemandem seine Volkszugehörigkeit streitig zu machen, ist bei Janssen besonders absurd, denn seine Familie entstammt dem blauäugigsten Winkel unseres Landes, sie kommt aus Ostfriesland.

Die direkte Herkunft aus großbürgerlichem Hause- der Vater war Chirurg, ein Onkel Philosophieprofessor in Münster - wird hintergründet von der Künstlersippe der Janssens.

Der Urgroávater, Theodor Janssen, Maler und Kupferstecher, 1816 in Jübberde in Ostfriesland geboren, trat 1835 in die Düsseldorfer Akademie ein und wandte sich im Konflikt mit dem Direktor Wilhelm Schadow, dem Sohn des großen Berliner Bildhauers, von der Historienmalerei ab und dem reproduzierenden Kupferstich zu. Er heiratete die Schwester des Malers Johann Peter Hasenklever, eines Vorfahren des expressionistischen Dramatikers, dessen Portrait zu den faszinierendsten Frühwerken Kokoschkas gehört.

Dieser Theodor Janssen hatte zwei Söhne: Der jüngere, 1855 geborene Karl wurde ein fruchtbarer Bildhauer, von dem Denkmäler, Brunnen und zahlreiche Portraits überliefert sind er war der Schüler seines Bruders Peter Janssen, 1844 geboren, eines Freskomalers in der Nachfolge von Cornelius und Rethel- mit der Familie Rethel-Sohn blieb eine Familienfreundschaft mit den Janssens. Unter den vielen monumentalen Wandbildern seien hier nur die drei im Kriege zerstörten Schlachtengemälde des Berliner Zeughauses erwähnt. Dieser Peter Janssen also ist der Großvater unseres Malers Peter Janssen.

Die Caprice beider Friesengroßväter, Jüdinnen zu heiraten, erzürnte zwei Generationen später die neuen Germanengötter mit den Gesichtern von Himmler und Goebbels.

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Es gibt in dieser Ausstellung nur wenige
Portraits und nur ein Selbstportrait von 1964/65,
das auch dem, der von Herkunft und Schicksal
des Malers nichts weiß, sehr präzise Auskunft
erteilt.

In das rechte untere Bildviertel hineinverloren, vor der raumlosen Unendlichkeit eines dunklen Grundes, den oben ein schmaler Blaustreifen an die Wirklichkeit anschließt, und eingespannt zwischen diesen und den Komplementärfarbenfetzen am unteren Bildrand, leuchtet ein Gesicht von magischer Sinnlichkeit entgegen, dessen Sensibilität auf den derb-plastischen Knochenbau eines Bauernschädels aufgetragen ist: ein physiognomischer Entwurf, der alle nur denkbaren Lebens- und Schicksalskonflikte enthält. Mit einem solchen Kopf hat man kein leichtes Leben.

Das malerische Lebenswerk des Peter Janssen ist nicht so leicht als konsequenter Entwicklungsgang zu begreifen. Wie sollte es das auch sein nach einem solchen Lebensgang?

Man könnte Werkgruppen isolieren und vorgeben, sie gehörten ganz verschiedenen Künstlern an. Wo findet man den Schlüssel zu diesen Schriftzeichen?

Ein sehr vertrackter Autor unserer Sprache, den man den ,,Magier des Nordens" genannt hat, wurde von einem seiner seltenen Leser, von Ernst Jünger, so beschrieben: ,,Hamann denkt in Archipelen von submarinem Zusammenhang".

Ich glaube, daß dies auch der Schlüsselbegriff für Janssen sein kann. Epochen, Werk- und Chiffrengruppen tauchen als Inseln, als flüchtige und auch als bleibende vulkanische Bildungen aus einem unterseeischen Festlandsockel auf, und es ist gewiß kein Zufall, daß Vulkanisch-Eruptives auch immer wieder als Bildmotiv vorkommt.

 

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Das Seismische, das Geologische, prägt sich in einem Schlüsselmotiv aus, in dem des Horizontes.

In allen Bildern, bis auf diejenigen einer Sondergruppe, den Grisaillen, ist der Horizont als zwingende Bezugsebene für den Betrachter mit unabweisbarem Anspruch dargestellt und selbst im Interieur als Raumkante unabweislich vor Augen gestellt.

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Dabei spielen nur wenige
Bilder Stadtansichten - perspektivische Tiefenillusion
aus - da aber mit saugender Vehemenz, andere wieder
sind ganz in die Fläche zurückgenommen.

Niemals hat Janssen einen ausgleichenden Mittelweg angestrebt, sondern sich immer an den gefährlichen Endpunkt der Wege angesiedelt:

Saugende Tiefenflucht einer Raumillusion oder asketische Flächenhaftigkeit; sprühende, ,,malerische" Farbigkeit oder karge Reduktion auf die ,,reine" Farbe; bewegte, flimmernde Wirklichkeit einer erlebten Welt oder zur Signalsprache geronnenes Ornament; die seltene Menschendarstellung - ich nenne hier besonders seinen jugendlichen Picasso mit seinen aggressiven Toreroaugen - oder der Mensch als Chiffre in Gestalt eines einsamen Hutes, der auf Tisch oder Balustrade emblemafisch - symmetrisch - ornamental dahingehend, seinen hinweggegangenen Träger symbolisiert: eine Chiffre der Einsamkeit.

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Bei diesen zum Äußersten reduzierten Emblemen möchte man von einer hell-bewußten Naivität sprechen.

Seit 1955, seit den Reitern über Guadix und dem Don Quichote von 1956 werden bis etwa 1963 Grisaillen erprobt, "äußerste Reduktionen der malerischen Mittel, bei denen das Schwarz und das Weiß auf ihre Farbigkeit erprobt werden. Es ist kein Wunder, daß Spanien das Motiv ist, die Heimat der größten Schwarz-Weiß-Maler: Velazques und Picasso.

Der Süden, das Mediterrane, erscheint als Grunderlebnis fernab von Tourismus, Folklore und klassischer Deutschensehnsucht in seiner Härte des phrasenlosen Alltags. Autos halten geradlinig an der Kreuzung, Passanten marschieren geradlinig hinüber, ein Süden, der die Faszination einer ungeschwätzigen Nüchternheit ausstrahlt.

Weiter in der Emblemensprache:

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Das Schiff als geradlinig fern ziehende Transportmaschine, als brennendes Katastrophending, als steifes Rettungsboot mit schweigender Besatzung oder das Hauptemblem: der Kreis, die Kugel, in immer neuen Gegenstandsformen versteckt: als Gestirn und Geschoß, als Bullauge und Seifenblase, als Apfel und Baumkrone, als giftige Chemiewolke wie als brüderliche Pflanze. Hier wird die ganze Breite der Ausdrucksmöglichkeiten eines der vornehmsten der platonischen Körper erprobt, der noch in den Kugelsegmenten der Melonenscheiben zitiert wird.

Mir will scheinen, daß man die Widersprüche dieses Werkes verstehen kann als den niemals entschiedenen Kampf zwischen einer eruptiven Vitalität, animalisch und männlich, und dem Drang, dieses Naturgeschehen geistig zu bändigen, es in hieroglyphische Zeichen zu verwandeln, die aus dem auferzwungenen Lebensschicksal geheimen Sinn herausdestillieren sollen. Sie geht auf dem schmalen Grat zwischen Trivialität und Esoterik, immer gefährdet, nie sicher auf breiter Straße und kann nur geliebt oder nicht beachtet werden.

Ich fordere Sie auf, das hier Gesagte vor den Bildern zu überprüfen, wenn es Widerspruch erfährt, so wäre es den Kunstwerken angemessen.

Prof. Dr. Martin Sperlich

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