© 2010 Stephan Kotthaus

Peter Janssen Maler und Kunstprofessor

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Guten Tag, Peter Janssen!


Gert Winkler 19. Juni 1977

Vom Recht, die Bilder und Zeichnungen des Peter Janssen zu lieben, darf niemand bei zwingenden Gründen ausgeschlossen werden.

Es hat wirklich nicht viel Sinn und Wirkung, mehr zu sagen, als man weiß. Jedes Übermaß, davor warnten schon unsere Klassiker, bestraft sich selbst. Zu oft versagt die Sprache bei der Beschreibung der Kunst. Definieren läßt sich die Malerei gewiß auf die vielfältigsten Weisen. Für mich am klarsten und ehrlichsten im allerhöchsten Genuß. Dazu bedarf es natürlicher-weise der Liebe. Jawohl: ich bin durchaus bereit und imstande, heute und letzt, hier, da und dort, Bilder zu lieben! Meine Liebe zu Bildern ist nicht eine vorübergehende Laune. Auch keine Dummheit, die man zu zweit begeht. Das ist so: Ich sage: "Guten Tag, Peter!" Und nach ein paar Minuten stehe ich im Atelier. Die anderen sitzen noch beim Tee. Ich schaue ein Bild an. Ich setze mich auf den kleinen Hocker. Und wenn ich jetzt, während ich diese Zeilen am 19. Juni 1977, vormittags um halb elf beginnend, in die Maschine tippe, zurückdenke an eine solche Begegnung und mich frage: wie war das genau? - dann fiele es mir nicht leicht, meine Empfindungen wiederzugeben. Ich könnte mitteilen, welchem Bild ich mich hingab, wie groß die Lust war, die Farben zu genießen, was darauf war, welche Reaktionen es in mir auslöste. Ich könnte eine komplette Geschichte daraus machen. Ich könnte eine gewisse therapeutische Komponente herausarbeiten. Ich könnte einen großen, weiten und schönen Traum schildern, der mir erst später zufiel - bei offenen Augen kurz vor dem Einschlafen. Ich könnte tatsächlich hineintauchen in die Welt meines Freundes Peter Janssen und sehr Geheimes ausbreiten; denn ich weiß einiges aus erster Hand und Quelle, was vielleicht andere nicht wissen. Ich könnte allerlei Querverbindungen anstellen, Zusammenhänge aufzeigen und vergleichen - wie manche Verliebte das tun! Ich könnte mir einreden, dieses und jenes sei logisch. Ich könnte mir einreden, das Thematische des Bildes sei gleichzeitig die Hauptsache und die Nebensache - ganz wie man will! Es ist überhaupt die Frage, ob das die geeignete Methode für eine Interpretation eines Werkes. Und eben dieser Satz signalisiert mir, daß ich jetzt zu zögern habe. Denn: ich müßte doch sehr Intimes preisgeben. Und vielleicht würde ich (für Sie und für mich) eine Geschichte zerstören. Deshalb beschließe ich jetzt, punkt elf Uhr, eine Tasse Kaffee zu trinken. Möglicherweise gelingt es mir in einem zweiten Anlauf, dem Maler, Zeichner, Lehrer und Freund Peter Janssen gerechter zu werden.

Die persönliche Eigenart des Peter Janssen, seine persönlichen Elemente, sein Stil - das erschloß sich mir gleich zu Beginn. Ben Wargin stellte die Verbindung her. Danach kam langsam eine Freundschaft in Gang. Doch auch Skepsis war da - nicht von meiner Seite. Wie war das? Ich hatte in einer Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes Janssen-Bilder gesehen. Besonders das Bild mit dem Titel "Begegnung unter 2 Sonnen" hatte ich mir wiederholt angeschaut: Eine fast symetrische Bildkomposition mit - glaube ich - vier männlichen Figuren und einer Frau. Die Männer waren - glaube ich - Mönche, mit breiten, runden Kopfbedeckungen. Sie gingen - glaube ich - irgendwie im Kreis umher. Und richtig: diese Menschen befanden sich in einem Kreis - oder war es ein Oval? Hinten war ein Horizont, darüber Wolken. Und über dem Oval die beiden Sonnen. Wessen Sonnen? Janssen's Sonnen, selbstredend! Da nimmt sich einer die Freiheit und malt zwei Sonnen. Da nimmt sich einer die Freiheit und malt einen Hut! Da nimmt sich einer die Freiheit und malt ein Schiff auf dem Rhein!

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Wo bleibt die Skepsis? Es war so: Ich selber galt - was die Bildende Kunst betrifft - als einer, der sich mit Haut und Haar der sogenannten Avantgarde verschrieben hatte, der sehr für die Nullsituation der Zeroleute eingetreten war. Und nun sollte ich auf einmal Bilder wie die von Peter Janssen mögen? - Das konnte und wollte der kluge und weise und so welterfahrene Herr nicht recht glauben. Mir kam es nun darauf an, Janssen von der Aufrichtigkeit meines Engagements für seine Arbeiten zu überzeugen. Und dieses gelang mir vermutlich am 17. Oktober 1975. An diesem Tag nämlich eröffnete ich für ihn eine große Asusstellung in Nordhorn. Damals begann ich - das weiß ich noch recht genau - meine Ansprache mit dem sehr stimmigen Satz: "Wer keinen Kopf hat, bekommt nie einen Hut!" Ich biß mich also am Hut fest, der die Tür aufstieß zu unzähligen Einfällen und Geschichten. Ich schilderte zunächst vier oder fünf Hut-Bilder von Peter Janssen und kam wohl auch auf die Ironie und den Humor zurück. Jetzt liegt, links neben meiner Schreibmaschine, der Janssen-Katalog des Neuen Berliner Kunstvereins vom Mai 1976. Dort gibt es einen wundervollen Dialog von Karl Ruhrberg, Eberhard Roters und Ben Wargin. Roters befaßt sich darin u.a. auch mit den Hut-Bildern und vergleicht Janssen mit einem Zauberkünstler. Das ist recht zutreffend. Aber: Da ist ein Zauberer an der Staffelei und am Zeichenblock, der mit offenen Karten spielt - fast im Stande malerischer Unschuld. Hier findet sich eine ernste Alternative zu allen rasch hochgeschossenen Eskapaden in der Kunst, zu allen krampfhaft herbeigebogenen Modernismen: Eine reine, schöne, klare, poetische Malerei - ohne hochstaplerische Absichten. Diese Malerei st so und könnte nicht anders sein! Diese Malerei ruht in sich und kann nie aus den Fugen geraten! Diese Malerei holt die Wirklichkeit von Tagträumen zurück in den banalen Alltag! Janssen - das ist wie wenn man ein Fenster dreimal öffnet. Janssen - das ist wie wenn man mit trockenen Füßen über einen Fluß geht. Janssen - das ist wie wenn man von zwei Sonnen beschienen wird. Janssen - das ist wie wenn man auf einem Apfel spazieren geht.

In einem Brief vom 29. Juni 1977 schreibt mir Peter Janssen: "Die Aquarelle und Zeichnungen habe ich noch nicht gezeigt." Da malt und zeichnet und aquarelliert einer wohl über vierzig Jahre und hält soviel Erlesenes zurück. Denn: Da tut sich eine neue Welt auf. Einmal holte auf unser Drängen Peter Janssen's Frau Mappen und Stöße von Blättern aus den Schubladen. Vielerlei Formate. Und eins fiel sofort auf: Da gibt es die sogenannten "Vorstudien" im klassisch-akademischen Sinn. Und da gibt es "Vollendetes", gleichwertig mit den Leinwandbildern.

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Und: Kühnes, nahezu abstrakte Zeichnungen z.B. aus den frühen fünfziger Jahren, die einiges vorwegnehmen, was hinterher üblich wurde - eine zeichenhaft bedeckte Fläche etwa.

Und auch da bleibt immer jener Spielraum offen, der uns die Frage aufdrängt, wie er denn das mit den Farben gemacht habe. Wenn man ihn danach befragt, dann antwortet Peter Janssen mit entwaffnender Offenheit: Das sei das Geheimnis seines Malwassers.

Einmal nahmen wir für eine Fernsehsendung einige Kinder, zehn bis zwölf Jahre alt, mit zu Peter Janssen ins Atelier.

Sie ließen sich dort auf dem Fußboden nieder und stellten Fragen. Wie es denn komme, daß er blaue Bäume male? Da sagte der weise Mann auf seinem Atelierhockerchen: "Du bist ein junger Mann, Du hast alle Freiheiten.

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Du kannst machen was immer Du willst. Du kannst blau nehmen oder rot. Du kannst malen wie Du willst. Nur am Ende, da muß es einigermaßen stimmen. Und es stimmt einigermaßen, wenn Du ein bißchen daran glaubst."

Da fällt mir ein, daß man sagt: Rousseau wollte in Wirklichkeit ganz anders malen, was ihm aber nie gelang. Janssen will mit Sicherheit nie anders malen als er es tut. Malen ist für ohn höchstwahrscheinlich: Alles vergessen, was er je gesehen hat und dann das Schiff besteigen und den Fluß hinauf oder hinunter fahren - ganz wie es beliebt! Guten Tag sagen und Kapitän sein. Kapitän einer Malerei, die zwar auch ihre kleinen Katastrophen beinhaltet, die aber aus eigener Kraft (sind's die Farben? Sind's die Motive? Ist's die Meisterschaft der Pinselführung?) nach vorwärts treibt. Es ist bestimmt schon vielen Leuten aufgefallen, daß Schiffe und Flugzeuge in der Bildwelt des Peter Janssen eine große Rolle spielen.

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Das sind bekanntlich zwei Klammern, die in der Kindheit eines fast jeden Menschen bedeutsam sein können. Hier ist, scheint es, einer, der seine Kindheit mit hinüber ins Alter gezogen hat. Vielleicht hält er sich dadurch jung. Denn: Janssen - das ist auch so etwas wie "ewige Jugend!"

Und daß gerade junge Leute seiner Faszination erliegen, das mag darin begründet sein, daß Lug und Trug so unendlich ferne sind, daß jedermann unter dem Zauberhut langen kann, um nachzuschauen, ob Äpfel darunter liegen oder zwei Sonnen.

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Guten Tag, Peter Janssen! Viel Glück und Erfolg

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