© Stephan Kotthaus

Peter Janssen Maler und Kunstprofessor

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Übersicht

Vorwort zur Ausstellung
Drei Berliner im Kunstverein Hannover
vom 29 Januar bis 26. Februar 1967


Bernhard Dörries
 
Der Blumenstrauß von 1960 (Abbildung) ist aus dichten grauen, schwarzen und weißen Strichlagen gewebt, die mehr als es frische Farben vermochten den dämmerigen Zauber von Blüten und Blättern zeigen. Dieses schöne Bild hat noch einen anderen Wert: Die Blumen bilden einen zentralen Kreis mit unscharfem Rand und entsprechen damit genau dem Blickfeld unseres menschlichen Auges.

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Das was dem Maler hier zum ersten Mal aufgeht - die suggestive Bedeutung der Kreisform in der Mitte des Bildes - führt ihn weiter zur Beobachtung anderer Flächenfiguren und damit zur Veränderung seiner Bildform.
 

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Noch einmal werden in dem "Idyll am Genfer See" die malerischen Mittel seiner Jugend benutzt, lockere, breit hingestrichene, einzelne Töne, die Blätter, Mauern und Fenster tastend andeuten und in dem Ungefähren eine Sommer- nacht am Wasser mehr fühlen als sehen lassen. Doch bilden die Farbflecken keine gleichmäßige Struktur mehr, sondern beziehen sich auf eine dunkle Mitte, in der sich symmetrisch angeordnete Türme und Fenster im Wasser spiegeln.

Die planmäßige Ordnung der nächsten Bilder beginnt ein Maler, der ein Leben lang seine Themen aus dem Impuls heraus wählte, der jede Formung des Gegenstandes, jede Struktur der Fläche aus dem Pinselstrich heraus augenblicklich erfand. so daß sie den malerischen Fluß des Bildvorganges bestärkte, aber nicht aufhielt. Um so erstaunlicher, daß von nun an die Arbeit fast immer mit einer Linie anfängt, die die Bildfläche waagerecht teilt, ein Entschluß, der die Denkrichtung von vornherein festlegt. Alles, was geschieht, muß jetzt auf eine Spannung, einen Ausgleich der beiden Felder, des oberen und des unteren Rechtecks hinzielen, wozu diese zunächst mit zwei sorgfältig gewählten Farben ausgerüstet werden, einer dunklen, einer hellen.

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Die Einzelformen. die auf diesem Bildgrunde auftreten sollen, werden mit sicherem Gefühl für die Weisheit des Wenigen gefunden.ähnlich wie wir in allen Märchen immer wieder auf den König, die Stiefmutter, den Königsohn und die Prinzessin warten. wie wir beim Schach mit immer denselben sechs Figuren die verschiedensten Spiele ersinnen. schafft Janssen sich aus Kreis und Kugel, Zacken und Wellenlinie seinen eigenen Formenschatz. sein eigenes kleines Alphabet, das er zu Bildworten und Sätzen zusammenfügt. Es gibt Bilder mit dunklem Sockel. in deren oberem Bildfeld ein solcher Satz steht (Landschaft Arkadien. Kleine Kapelle).

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Durch Farben. die zart und bestimmt Teile herausheben oder verbinden. durch Farben, die zueinander so genau passen wie die von Schale und Frucht, leuchtet uns der Sinn solch eines geometrischen Bildsatzes ein. Gleichzeitig erinnern wir uns des Wohlklanges ähnlicher Formverbindungen, ähnlicher winkliger Dächer unter kugeligen Bäumen einer fast stillebenhaften Landschaft, die auch wie hier hellfarbig über dunklem Grunde lag.
Wie der König im Schachspiel ist der Kreis oft besonders ausgezeichnet. Erscheint er im Mittelpunkt eines Bildfeldes, so trägt er wie ein Wappen gern einen Kelch. eine große Welle oder rote Blume, sehr häufig jedoch einen Baum. Dieser Solitärbaum, dessen dichte Krone Schatten am Boden wirft, ist sicherlich nicht nur ein Baum. Wir meinen in dem Signum auch einen Springbrunnen mit sprühendem Wasser, einen üppigen Blumenstrauß, die ersehnte Rauchwolke des Vesuvs, eine hochgestielte Fruchtschale zu erkennen, alle nach dem Urbild des Füllhorns symmetrisch geformte Zeichen quellenden Lebens. (Das Glas. Arrangement.)

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Die große Wirkung, die von diesen Bildern ausgeht, rührt von dem Bildthema her, das sich auf eine einfache deutliche Frage beschränkt. Diese Fragestellung, die oft mit der Teilung der Bildfläche in Oben und Unten beginnt, ist deshalb für den Beschauer so packend und interessant. weil er diese Teilung als reizvolle Spannung erlebt. so wie den Anblick der zwei Farben einer Fahne. wie den Blick vom Tisch zum Fußboden eines Zimmers, vom Gesicht zum Körper des uns begegnenden Menschen; weil die Verdichtung des Themas in der Mitte der Bildfläche von jener erstaunlichen Anziehungskraft ist, die ein Bild, ein Spiegel auf einer sonst leeren Wand besitzt; weil durch die Einführung von Wirklichkeit in diesen Spiegel die sonst stummen, ganz vom Gefühl bestimmten Bildformen jetzt sprechend werden. Dabei ist diese Wirklichkeit: Baum, Schiff, Kelch, Blüte von fast einsilbiger Kraft, die noch bis in ihre geprägte Formel hinein wirkt. Und schließlich, weil Frage und Antwort in Farben auftreten, die nicht an Dingen studiert, sondern vom Maler gewählt und genau aufeinander abgestimmt sind.

Diese sogenannten dekorativen Farben können vielerlei, aber nicht alles ausdrücken. Bei Janssen können sie ernsthaft, prachtvoll, witzig, naiv, sinnlich und reizend sein, und das sind Antworten, die wir am liebsten haben.

Die Logik der geometrischen Tafel führt, einmal verstanden, zu vielen fruchtbaren Ideen, die der Maler begierig ergreift. Liegen zwei Kreise nebeneinander, als ob sie uns ansehen, so erregen sie Unruhe und aufmerksamen Vergleich.

Wir betrachten den Inhalt der Kreise, es sind Früchte, die durch Verdopplung sehr an Bedeutung gewinnen, und wünschen - wie schön ist es, Bilder einmal nachdenklich anzusehen -  für beide Kreise nicht verschiedene Früchte, sondern die gleichen auch nicht als Spiegelbild, sondern in vö11iger Kongruenz. (Williams - Birnen.)

Sind wir hier sicher, so bedrängen uns zwei andere Bilder um so mehr. Die "Rote Blume"
 

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und das "Haus des Maharadscha" haben je zwei Rundformen, die wie die Augen eines auf der Seite liegenden Menschen übereinander stehen und reich verziert sind. Jedesmal ist dieser Zierat oben und unten ähnlich, aber so gemalt, daß unser zweifelnder, aber verzauberter Blick sich nicht entscheiden kann, nach welchem er sehen will. Die beiden Inhalte sind in ein mit allen Sinnen zu spürendes schwebendes Gleichgewicht gebracht worden, während die Hintergründe in eindeutiger Pracht stehen.
Wer hatte gedacht, daß zwei Kreise auch in der Form einer großen Brille auftreten können, in deren Gläsern Zwillingsdampfer fahren, das heißt, es ist immer derselbe. der auch unten auf der grauen Leinwand mit stattlicher Rauchfahne an uns vorbeizieht.

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Es gibt zweiaugige Bilder, deren linker Kreis noch " Volldampf voraus" zeigt, deren rechter aber steilen Untergang ins Wassergrab. Wahrscheinlich wäre solch ein Dampfer ein tröstendes und liebenswertes Bild in einem Zimmer, stellt es doch den geglückten Versuch dar, eine Katastrophe als farbiges Ereignis auf dem so gleichmäßig grauen Lebensweg anzusehen. Ebenso wie die Riesenfontänen, feuerspeienden Berge und Nymphengärten, mit denen Janssen seine Kreise füllt und damit eine neue Dimension in seine so festgefügten geometrischen Bildtafeln einführt. Sie erinnern an die Weltwunder der Antike, die als Außerordentliches die gewohnte Ordnung urn so spürbarer machten. (Die Brille, Schiffsuntergang. Kapitansbild.)
Die Wahlverwandschaft mit alter Gartenkunst, die aus runden Wasserbecken, schmalen Blumenrabatten, bewegten Kiesornamenten, ja selbst nützlichen geraden Wegen ein Gesamtbild, ein Parterre schuf, ist in allen Bildern zu spüren. Auch die Wellenlinie. die als Rahmen und Sockelfigur auftritt, hat ihre Ahnen in den weitgeschwungenen Buchsbaum-Arabesken, die sich beim Vorbeigehen so reizvoll verändern.

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In den letzten Bildern wird diese Wellenlinie. diese in Bewegung geratene Gerade, dieser noch nicht gebildete Kreis zum eigentlichen Thema. Auch der sonst ruhige, untere Teil der Bilder verändert sich und wird zu sich bäumenden, stürzenden und steigenden Wellen, Ober denen oben die vertraute Baumkrone als ruhendes Herrscherzeichen erscheint. Ist hier die Be- wegung in Flächenfiguren gezeichnet, so gelingt es der Farbe, in diesen Flächen die Frische und Gewalt des Wassers, im Mäander die Strömung spürbar zu machen. (Nymphengärten. Winterbild. Der erste Ball, Titelbild. Wüstenblume, Abbildung.)


 

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Diese Ausstellung Janssens ist hauptsächlich den Bildern aus den letzten Jahren gewidmet, die das höchste Lob für einen Maler - von Malern geschätzt werden. Doch gibt es auch einige frühere Bilder. die wünschen lassen. bald sehr viel mehr von ihnen zu sehen. Solch ein Bild hat es schwer. Als es gemalt wurde, war es das jüngste. Jetzt muß es sich gegen zahlreiche jüngere behaupten und das in einer Zeit, in der nicht mehr in gute und schlechte Malerei, sondern in alte und neue Bildformen geschieden wird. Es ist reizvoll, an den Wänden entlang zu gehen und diese sprühend in Anschauung der Natur gemalten Bilder von damals mit den aus selbsterfundenen Formen gebauten Bildern von heute zu vergleichen. Wieviel farbiger sind die Neuen, aber wieviel Ordnung und Weisheit steckt schon in den spanischen Landschaften. Welch schöner Beruf, der Jugendwerke durch spätere Bilder aufzuwerten und zu verbessern vermag.

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