Bernhard Dörries |
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Der Blumenstrauß von 1960 (Abbildung) ist aus dichten grauen, schwarzen und
weißen Strichlagen gewebt, die mehr als es frische Farben vermochten den
dämmerigen Zauber von Blüten und Blättern zeigen. Dieses schöne Bild hat noch
einen anderen Wert: Die Blumen bilden einen zentralen Kreis mit unscharfem
Rand und entsprechen damit genau dem Blickfeld unseres menschlichen Auges. |
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Das
was dem Maler hier zum ersten Mal aufgeht - die suggestive Bedeutung der
Kreisform in der Mitte des Bildes - führt ihn weiter zur Beobachtung anderer
Flächenfiguren und damit zur Veränderung seiner Bildform.
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Noch einmal werden in
dem "Idyll am Genfer See" die malerischen Mittel seiner Jugend benutzt, lockere,
breit hingestrichene, einzelne Töne, die Blätter, Mauern und Fenster tastend
andeuten und in dem Ungefähren eine Sommer- nacht am Wasser mehr fühlen als
sehen lassen. Doch bilden die Farbflecken keine gleichmäßige Struktur mehr,
sondern beziehen sich auf eine dunkle Mitte, in der sich symmetrisch angeordnete
Türme und Fenster im Wasser spiegeln. |
Die planmäßige Ordnung der nächsten Bilder beginnt ein Maler, der ein Leben
lang seine Themen aus dem Impuls heraus wählte, der jede Formung des
Gegenstandes, jede Struktur der Fläche aus dem Pinselstrich heraus augenblicklich erfand. so daß sie den malerischen Fluß des Bildvorganges bestärkte,
aber nicht aufhielt. Um so erstaunlicher, daß von nun an die Arbeit fast immer
mit einer Linie anfängt, die die Bildfläche waagerecht teilt, ein Entschluß, der
die Denkrichtung von vornherein festlegt. Alles, was geschieht, muß jetzt auf
eine Spannung, einen Ausgleich der beiden Felder, des oberen und des unteren
Rechtecks hinzielen, wozu diese zunächst mit zwei sorgfältig gewählten Farben
ausgerüstet werden, einer dunklen, einer hellen. |
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Die Einzelformen. die auf diesem Bildgrunde auftreten sollen, werden mit sicherem Gefühl für die Weisheit des
Wenigen gefunden.ähnlich wie wir in allen Märchen immer wieder auf den König,
die Stiefmutter, den Königsohn und die Prinzessin warten. wie wir beim Schach
mit immer denselben sechs Figuren die verschiedensten Spiele ersinnen. schafft
Janssen sich aus Kreis und Kugel, Zacken und Wellenlinie seinen eigenen
Formenschatz. sein eigenes kleines Alphabet, das er zu Bildworten und Sätzen
zusammenfügt. Es gibt Bilder mit dunklem Sockel. in deren oberem Bildfeld ein
solcher Satz steht (Landschaft Arkadien. Kleine Kapelle). |
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Durch Farben. die zart
und bestimmt Teile herausheben oder verbinden. durch Farben, die zueinander so
genau passen wie die von Schale und Frucht, leuchtet uns der Sinn solch eines
geometrischen Bildsatzes ein. Gleichzeitig erinnern wir uns des Wohlklanges ähnlicher Formverbindungen,
ähnlicher winkliger Dächer unter kugeligen Bäumen
einer fast stillebenhaften Landschaft, die auch wie hier hellfarbig über
dunklem Grunde lag. |
Wie der König im Schachspiel ist der Kreis oft besonders ausgezeichnet. Erscheint er im Mittelpunkt eines Bildfeldes, so trägt er wie ein Wappen gern
einen Kelch. eine große Welle oder rote Blume, sehr häufig jedoch einen Baum.
Dieser Solitärbaum, dessen dichte Krone Schatten am Boden wirft, ist sicherlich
nicht nur ein Baum. Wir meinen in dem Signum auch einen Springbrunnen mit
sprühendem Wasser, einen üppigen Blumenstrauß, die ersehnte Rauchwolke des
Vesuvs, eine hochgestielte Fruchtschale zu erkennen, alle nach dem Urbild des
Füllhorns symmetrisch geformte Zeichen quellenden Lebens. (Das Glas.
Arrangement.) |
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Die große Wirkung, die von diesen Bildern ausgeht, rührt von dem Bildthema her, das sich auf eine einfache deutliche Frage beschränkt. Diese
Fragestellung, die oft mit der Teilung der Bildfläche in Oben und Unten beginnt,
ist deshalb für den Beschauer so packend und interessant. weil er diese Teilung
als reizvolle Spannung erlebt. so wie den Anblick der zwei Farben einer Fahne.
wie den Blick vom Tisch zum Fußboden eines Zimmers, vom Gesicht zum Körper des
uns begegnenden Menschen; weil die Verdichtung des Themas in der Mitte der
Bildfläche von jener erstaunlichen Anziehungskraft ist, die ein Bild,
ein Spiegel auf einer sonst leeren Wand besitzt; weil durch die Einführung
von Wirklichkeit in diesen Spiegel die sonst stummen, ganz vom Gefühl bestimmten Bildformen jetzt sprechend werden. Dabei ist diese Wirklichkeit: Baum,
Schiff, Kelch, Blüte von fast einsilbiger Kraft, die noch bis in ihre geprägte
Formel hinein wirkt. Und schließlich, weil Frage und Antwort in Farben auftreten, die nicht an Dingen studiert, sondern vom Maler gewählt und genau
aufeinander abgestimmt sind.
Diese sogenannten dekorativen Farben können vielerlei, aber nicht alles ausdrücken. Bei Janssen können sie ernsthaft, prachtvoll, witzig, naiv, sinnlich
und reizend sein, und das sind Antworten, die wir am liebsten haben.
Die Logik der geometrischen Tafel führt, einmal verstanden, zu vielen fruchtbaren Ideen, die der Maler begierig ergreift. Liegen zwei Kreise
nebeneinander, als ob sie uns ansehen, so erregen sie Unruhe und aufmerksamen
Vergleich.
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Wir betrachten den Inhalt der Kreise, es sind Früchte, die durch
Verdopplung sehr an Bedeutung gewinnen, und wünschen - wie schön ist es, Bilder
einmal nachdenklich anzusehen - für beide Kreise nicht verschiedene Früchte,
sondern die gleichen auch nicht als Spiegelbild, sondern in vö11iger Kongruenz.
(Williams - Birnen.)
Sind wir hier sicher, so bedrängen uns zwei andere Bilder um so mehr. Die "Rote Blume"
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und das "Haus des Maharadscha" haben je zwei Rundformen, die wie
die Augen eines auf der Seite liegenden Menschen übereinander stehen und reich
verziert sind. Jedesmal ist dieser Zierat oben und unten ähnlich, aber so gemalt,
daß unser zweifelnder, aber verzauberter Blick sich nicht entscheiden kann,
nach welchem er sehen will. Die beiden Inhalte sind in ein mit allen Sinnen zu
spürendes schwebendes Gleichgewicht gebracht worden, während die Hintergründe in
eindeutiger Pracht stehen. |
Wer hatte gedacht, daß zwei Kreise auch in der Form einer großen Brille auftreten können, in deren Gläsern Zwillingsdampfer fahren, das heißt, es ist immer
derselbe. der auch unten auf der grauen Leinwand mit stattlicher Rauchfahne an
uns vorbeizieht. |
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Es gibt zweiaugige Bilder, deren linker Kreis noch " Volldampf
voraus" zeigt, deren rechter aber steilen Untergang ins Wassergrab.
Wahrscheinlich wäre solch ein Dampfer ein tröstendes und liebenswertes Bild in
einem Zimmer, stellt es doch den geglückten Versuch dar, eine Katastrophe als
farbiges Ereignis auf dem so gleichmäßig grauen Lebensweg anzusehen. Ebenso wie
die Riesenfontänen, feuerspeienden Berge und Nymphengärten, mit denen Janssen
seine Kreise füllt und damit eine neue Dimension in seine so festgefügten
geometrischen Bildtafeln einführt. Sie erinnern an die Weltwunder der Antike,
die als Außerordentliches die gewohnte Ordnung urn so spürbarer machten. (Die
Brille, Schiffsuntergang. Kapitansbild.) |
Die Wahlverwandschaft mit alter Gartenkunst, die aus runden Wasserbecken,
schmalen Blumenrabatten, bewegten Kiesornamenten, ja selbst nützlichen geraden Wegen ein Gesamtbild, ein Parterre schuf, ist in allen Bildern zu spüren. Auch
die Wellenlinie. die als Rahmen und Sockelfigur auftritt, hat ihre Ahnen in den
weitgeschwungenen Buchsbaum-Arabesken, die sich beim Vorbeigehen so reizvoll
verändern. |
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In den letzten Bildern wird diese Wellenlinie. diese in Bewegung
geratene Gerade, dieser noch nicht gebildete Kreis zum eigentlichen Thema. Auch
der sonst ruhige, untere Teil der Bilder verändert sich und wird zu sich
bäumenden, stürzenden und steigenden Wellen, Ober denen oben die vertraute
Baumkrone als ruhendes Herrscherzeichen erscheint. Ist hier die Be- wegung in
Flächenfiguren gezeichnet, so gelingt es der Farbe, in diesen Flächen die
Frische und Gewalt des Wassers, im Mäander die Strömung spürbar zu machen. (Nymphengärten.
Winterbild. Der erste Ball, Titelbild. Wüstenblume, Abbildung.) |
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Diese Ausstellung Janssens ist hauptsächlich den Bildern aus den letzten
Jahren gewidmet, die das höchste Lob für einen Maler - von Malern geschätzt
werden. Doch gibt es auch einige frühere Bilder. die wünschen lassen. bald sehr
viel mehr von ihnen zu sehen. Solch ein Bild hat es schwer. Als es gemalt wurde,
war es das jüngste. Jetzt muß es sich gegen zahlreiche jüngere behaupten und das
in einer Zeit, in der nicht mehr in gute und schlechte Malerei, sondern in alte
und neue Bildformen geschieden wird. Es ist reizvoll, an den Wänden entlang zu
gehen und diese sprühend in Anschauung der Natur gemalten Bilder von damals mit
den aus selbsterfundenen Formen gebauten Bildern von heute zu vergleichen.
Wieviel farbiger sind die Neuen, aber wieviel Ordnung und Weisheit steckt schon
in den spanischen Landschaften. Welch schöner Beruf, der Jugendwerke durch
spätere Bilder aufzuwerten und zu verbessern vermag. |
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