© 2015 Stephan Kotthaus

Peter Janssen Maler und Kunstprofessor

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Übersicht

Eröffnungsrede zur Ausstellung VSU am 08.07.2004

 

Dr. Jürgen Ecker                                        Video mit Originalton als mp3

An einem Tag im Februar des Jahres 1919 schlossen sich in Düsseldorf sogenannte progressive Künstler zu einer Gruppe zusammen. Sie nannten sich „Junges Rheinland“. Max Ernst, Wollheim, Uzarski, Pankok gehörten dazu. Auch Otto Dix, der Ihnen allen bekannte große Zeitkritiker. Es gab eine erste gemeinsame Ausstellung und eine Zeitschrift, wie sich das auch damals gehörte mit dem Namen „Junges Rheinland“. 

Von Otto Pankok dann stammte dieser berühmte Ausspruch „Wir empfanden uns als Dynamit und wollten ganz Düsseldorf in die Luft sprengen.“

In diese Atmosphäre des künstlerischen Aufbruchs wuchs der junge Peter Janssen hinein und wurde selbst Mitglied dieser Gruppe und stellte auch mit ihnen aus.  

Peter Janssen als junger Mann

Noch einmal die Namen: Max Ernst, Wollheim, Uzarski, Pankok, Otto Dix.  

Später dann ab 1933, wurde mit dem Bildersturm der Nazis – Sie kennen das ja alle – auch die Kunst des „Jungen Rheinlands“ sozusagen umgekehrt in die Luft gesprengt. Die Kunst und vor allem der Mensch wurde zum Opfer von Terror, Intoleranz, Unmenschlichkeit, Verfolgung. 

1935 wurde Peter Janssen aus der Reichskammer der bildenden Künste ausgeschlossen und erhielt Mal- und Ausstellungsverbot - aus rassischen Gründen. 

Zitat aus der Urkunde: „Da Sie Nichtarier sind und als solcher, die für die Schaffung deutschen Kulturgutes erforderliche Zuverlässigkeit und Eignung nicht besitzen. Ich untersage Ihnen die weitere Berufsausübung als Maler und Grafiker. Gezeichnet vom Präsidenten der Reichskammer der bildenden Künste.

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Berufsverbot! Berufsverbot für einen, wie ich meine, begnadeten Künstler, der aus einer Familie stammt, die selbst tiefe künstlerische Wurzeln und Veranlagungen hatte. Und der Name des Rektors ist mir erstmalig begegnet im 19. Jahrhundert bei meiner persönlichen Beschäftigung mit Feuerbach. Zu nennen wären aber in unserem Zusammenhang nun mit der Düsseldorfer Malerschule und der Akademie im 19. Jahrhundert vor allen Dingen Theodor Janssen und seine Söhne Peter, Theodor und Karl. Wobei Peter, dieser berühmtere von ihnen als Historienmaler im 19. Jahrhundert selbst Akademiedirektor in Düsseldorf war. Er wiederum war der Großvater unseres Künstlers.  

Und wie das im Leben einfach so ist, es wird ja immer von den Großeltern weiter vererbt, nicht direkt über die Eltern. Also – direkte Linie. Und dass Sie, der Sie selbst Enkel sind, sich nun mit dem Nachlass beschäftigen, zum ersten Mal Lust auf diese Kunst kriegen – wer weis womit dass zusammenhängt... 

Einige wenige Lebensdaten für all diejenigen seinen sie genannt, die nicht so einen Zettel abgekriegt haben, habe gehört sie sind ausgegangen: 

Peter Janssen wurde 1906 in Bonn geboren. 

Von 1923 bis 1926 studierte er an der Düsseldorfer Kunstakademie unter Heinrich Nauen, Johan Thorn Prikker und Karl Ederer. Als Meisterschüler schloss er ab. 

Von 1926 bis 1928 studierte er dann in Paris an der Academie de la Grande Chaumiere.

Auch die französischen Einflüsse lassen sich auch durchaus hier in den unteren Räumen durchaus erkennen. 

Danach lebte Peter Janssen freischaffend in Düsseldorf. 

1932 folgte die erste große Einzelausstellung bei Alfred Flechtheim, der Galerist im Rheinland damals.  

Und nach dem bereits erwähnten Mal- und Ausstellungsverbot 1935 folgte eine Zeit innerer und äußerer Emigration. Aufenthalte in Italien, Amerika, England. Immer aber wieder diese Rückkehr in seine rheinische Heimat. Er blieb nicht weg, er blieb nicht ganz weg. Er mußte immer wieder zurückkehren an den Rhein. 

1940 dann wurde er in Leipzig zum Militärdienst gezogen. 

1941 desertierte er und hielt sich an verschiedenen Orten Europas, vornehmlich aber Deutschland, illegal auf. 

1944 wurde er verhaftet und in das Arbeitslager Lönnewitz deportiert. 

1945-46 ist der dann Mitbegründer der Galerie Hella Nebelung, der nächste ganz wichtige Name für die Szene im Rheinland. 

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Ich kenne ein rührendes Foto,
das Hella Nebelung zeigt,
wie sie vor den Trümmern,
den Kriegsruinen tanzt
und die Künstler ihrer Galerie
schauen ihr zu aus Liegestühlen heraus.
Sie tanzt!

Peter Janssen war übrigens einer der ersten, der in den Düsseldorfer Galerieräumen von Hella Nebelung seine erste Einzelausstellung, nach dem Krieg hatte. Aber – meine Damen und Herren – leicht war dieser Anfang nicht. Dieser Neuanfang. Und noch ein Ausstellungsplakat aus dem Jahre 1946 war überschmiert mit der Parole „entartete Kunst“  

Dennoch, es ist höchste Zeit, dass das Schaffen Peter Janssens in einer größeren Retrospektive zu würdigen ist, denn er gehört in eine ganze Reihe von Künstlern und Zeitzeugen, die statt des Abbildes das Urbild gesucht haben. Die ihren Blick dabei stets auf  das normale gerichtet haben, die aufgezeigt haben, wie eng und wie schmal Räume werden können, die dem Menschen hier und da noch gegönnt werden. Künstler, die es verstanden psychische Befindlichkeiten auszuloten und aufs Bild zu bannen.

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Ein herausragendes Beispiel ist hier der „Kinderkarneval“ aus dem Jahre 1938 mit Kindern, die verhalten und sparsam kostümiert in Begleitung ihrer Eltern vor die Tür treten. Ein zaghaftes Hervortreten in durchaus trister Umgebung. In Grau- und Brauntönen gehalten, die Perspektive im Bild wie im Wortsinn gekippt, umgebogen, verbogen. Kein Spiel also, keine Freiheit. Rollenzwang! Innerhalb, am hellichten Tag ein Nachtstück.

Aber noch völlig anders in seinem Charakter als jene klassischen Nachtstücke, die Sie hier sehen, diese klassischen Nachtstücke der Zwanziger Jahre wie „Spanische Küste bei Nacht“ von 1928 oder „Boote vor Juan les Pins“ von 1929. Konstruktivistische Spiele, Bildorganisation mit raschen, expressiven, kleinen Gesten. Groß, pastos ansonsten der Pinselduktus.

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Ein Bruch auch zu beobachten mit der „sauberen Palette“. Also die Farben, die nicht mehr sauber, neben einander geordnet auf der Palette des Künstlers stehen, sondern die verwischt werden, zusammengezogen werden. Aktion auf der Palette. Man könnte sich vorstellen, dass diese Farben oft grau und gräulich, bräunlich gebrochen auf die Leinwand spazieren. Aber, was wird dann mit der Farbe?  

Dennoch, auch das ein Merkmal von Kunst, die Anfang der Zwanziger Jahre die Welt aus den Angeln hebeln wollte. Aber Farbe bekam einen Klang damit, durfte aufklingen, springen, hin und her hüpfen. Ein sehr interessantes Phänomen zeigt gerade diese Ausstellung hier in Saarbrücken und es hängt zusammen mit Janssens außerordentlicher Fähigkeit zur Bildorganisation. Doch zunächst einmal mußte der Künstler selbst frei werden.  
 

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1945 zeigt er sich als Selbstbildnis mit Zigarette im „Ateliergarten“. Freie, befreite Kunst in freier Natur, heitere Landschaften? Nein, das geknickte, das umgebogene ist noch immer da gelebt.


Aber 1949 dann ein wirkliches Gegenstück zu solchen Nachtstücken, wir sehen es dahinten, den „Leuchturmwärter“ 1949. Es ist eine Metapher schlechthin für Künstler und ich glaube es ist auch so etwas wie eine persönliche Metapher von Peter Janssen. Dieser Leuchtturmwärter. Eine Metapher sagte ich schlechthin für Künstler, die Menschen am Wasser – ob Rhein oder Mittelmeer sei dahingestellt – beobachten.

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Menschen am Wasser, das heißt auch Menschen an den Schnittstellen von Räumen, von unterschiedlichen Räumen, die einander geben, einander nehmen und die ganz viel Sehnsucht, Träume freimachen.  

Bildgeschehen also und Bildorganisation im Werk von Peter Janssen der Fünfziger Jahre, und das sehen Sie eine Etage höher, ereignet sich bei aller prägnanten Ausschnitthaftigkeit in Streifen, in Terrassen, ich sag es mal in Erzählstreifen. Untereinander gestellt und übereinander gestellt.  

„Terrassenlandschaft“ von 1957 Flächenschichtungen in roten und orangefarbenen Tönen oder „Blick auf Vevey“ ein faszinierendes Abendstück von 1958, wir erkennen sogar das Alpenglühen mit Reflektionslicht, wie wir das von Rembrandt kennen, in den gerichteten Häuserfassaden am Genfer See und der ganze Genfer See als einziger dunkler, satter, tief aufsaugende Streifenzone.  
 

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„Sella“ dann aus dem Jahre 1957, ein Stadtbild, wo das Mauerwerk selbst zur Chiffre wird. Ob „Stadt am Fels“ oder „Roter Berg mit Figuren“ von 1959, es sind allesamt Urbilder, die sich in den Erzählstreifen ereignen, Filorationen ganz einfacher Gesten.

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Und dann kommen sie endlich „Zwei Akrobaten“ von 1960, das zeitlich letzte Bild von dieser Ausstellung. Gaukler, diese Identifikationslieblinge des modernen Künstlers, die Harlekine. Ein letzter Hinweis, dass es der Homo Ludenz ist, der die Welt vielleicht besser machen kann, besser als es Homo Sapiens oder Homo Faber je vermocht hätten. Solange, wie Sie im Bild sehen, bis er stürzt.


Nun würde ich sagen, meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit aber lassen Sie mich ganz gewichtig zum Schluss ein Wort des Dankes aussprechen, zunächst an Stephan Kotthaus, der auch aus einem völlig anderen Beruf kommend Anfang der Neunziger mit dem Nachlass konfrontiert wurde, ihn geordnet und gesichtet hat und dann das mutige Wagnis unternommen hat, die Vita, das bildnerische Werk Peter Janssens ins Internet zu stellen, das ganze mit Daten und wichtigen Fakten zu versehen, und die Bilder sind stark genug, dass man sich sein eigenes Bild machen kann, und das geht wunderbar zusammen. Vielleicht gibt es noch Schüler von Peter Janssen aus Berlin, die man fragen könnte, wie er denn so als Lehrer und Mensch war – vielleicht eine spannende Aufgabe für die Zukunft. Sie arbeiten daran und ein Stück Arbeit daran ist eigentlich auch diese Ausstellung hier, die wir jetzt hier in Saarbrücken genießen dürfen. Dank für Ihre Vorarbeit, Dank für Ihre Weiterarbeit.

Dank auch dem Galeristen Mathias Beck, der da wieder ein Händchen und Näschen hatte, diese Sachen zu holen. Aber ich weis seit Jahren sprechen wir, unser Stichwort ist die sogenannte „Lost Generation“ und diese Künstler gilt es einfach wieder vor Augen zustellen und sie der Erinnerung zu entreißen. Hier gibt es noch wirkliche Juwele unter damaligen Zeitzeugen zu entdecken. Also eine ganz wichtige Arbeit. Dank auch an Mathias Beck, der es ermöglicht hat und dann vor allen Dingen den Unternehmerverbänden des Saarlandes, die ihre Räumlichkeiten hier zur Verfügung stellen, um zunächst einmal ein kleines Podium als „warming up“ sozusagen für das nächst größere Podium nämlich einer Retrospektive zu schaffen. 

Ihnen allen ganz, ganz herzlichen Dank und Ihnen Dank für die Aufmerksamkeit.
 

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