Werke von Peter Janssen dem Älteren (1844 - 1908)
Kaiser Friedrich II. entläßt nach Preußen ziehende Deutsch-Ordensritter. 1230
Bildbeschreibung von Margret Lemberg
Quelle:
© 1985 Margret Lemberg/Gerhard Oberlik:
Die Wandgemälde von Peter Janssen
in der Alten Aula der Philipps-Universität zu Marburg
N.G. Elwert Verlag Marburg
 

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Mit dem zweiten Bild, "Kaiser Friedrich II. entläßt nach Preußen ziehende Deutsch-Ordensritter. 1230", ruft Janssen dem Betrachter eine Szene in Erinnerung, die auf den ersten Blick für Marburgs Stadtentwicklung und für die Geschichte des Deutschen Ordens von größer Wichtigkeit zu sein scheint. Nach dem Tod der verwitweten Landgräfin Elisabeth 1231erhielt ihr Schwager Landgraf Konrad für den Deutschen Orden 1234 von Papst Gregor IX. das Recht der Betreuung des Grabes der Elisabeth und erreichte 1235 deren Heiligsprechung.

So konnte der Orden nach der Zusicherung eines Ablasses mit dem Bau einer großen Kirche und eines Klosters vor den Mauern der Stadt beginnen. Marburg wurde damit für einige Zeit zum Mittelpunkt des Ordens und zu einem der großen Wallfahrtsorte Europas. Kaiser Friedrich II. kam 1236 zur feierlichen "Erhebung" seiner Verwandten nach Marburg und benutzte die Heiliggesprochene, die bis zu ihrem Tod gerade von Konrad, ihrem Schwager, gemieden worden war, als eine Art Reichsheilige zur Stärkung der kaiserlichen Größe. Aber nicht der feierliche Augenblick der verbürgten "Erhebung" ist dargestellt, sondern ein durch nichts belegter Vorgang. Denn schon 1226 und nicht etwa in Marburg 1236 hatte der Kaiser dem Orden eine Stellung in Preußen garantiert, die der eines Reichsfürsten gleichkam. Der polnische Herzog Konrad von Masowien hatte sich zuvor (1225/26) an den Deutschen Orden mit der Bitte um Unterstützung gegen die Preußen gewandt.

Auf dem Bild werden zwei Szenen eines Ereignisses gleichzeitig festgehalten: Ordensritter zu Pferd im schwarzen Gewand mit großen cremeweißen Mänteln und ihr malerisch gekleideter Troß zu Fuß ziehen von rechts vorne nach links hinten zum Tor hinaus, ein Aufbruch zur großen Reise gen Osten. Die Szene, die den ideellen Bildmittelpunkt bildet, auf den viele Linien hinführen, spielt sich auf einer teppichbelegten Treppe in einem Burghof ab: In einer fast theatralischen Pose, dem Betrachter zugewandt, verabschiedet Kaiser Friedrich II. mit Handschlag einen stolz und herrisch aussehenden Ordensritter -stellvertretend für alle zum Kampf Ziehenden - und unterstützt diesen Handschlag, indem er mit der anderen Hand in einer angedeuteten Sendungsgebärde die Schulter des Ritters berührt. Dieser nimmt die Geste auf, indem er seine freie linke Hand an die Brust legt. Aus diesem Bündnis Friedrichs mit dem Ordensritter"entspringt" förmlich ein Panier mit dem schwarzen Reichsadler auf goldenem Grund, dem Adler, den der staufische Kaiser an seine zahlreichen Burgen als Symbol seiner Macht anbringen ließ. Wie wichtig dieses Reichssymbol für Janssen war, erkennt man außerdem daran, daß die ausziehenden Ritter emphatisch auf das Zeichen des Kaisers mit ausgestrecktem Arm hindeuten, was den effektvollen Faltenwurf eines weißen Mantels bewirkt, oder mit der rotbraunen Lanze den Reichsadler direkt berühren.

Gerade an diesem Bild läßt sich die Absicht der Geldgeber und sicherlich auch die des Malers deutlich zeigen: Der Versuch einer Anknüpfung an das staufische Mittelalter unter Umgehung der Habsburger-Zeit war eines der großen Ziele der Deutschen Kaiser nach der Reichsgründung von 1871. In diesem Sinne läßt sich der einköpfige schwarze Adler auch als Vorausdeutung des preußisch-deutschen Wappentieres interpretieren. Eine Erinnerung daran hat auch in Marburg überdauert: Eine der beiden Spitzen des eleganten Treppenturms, der das Hauptgebäude der Alten Universität überragt, wird nicht etwa durch einen Wetterhahn gekrönt, sondern durch den preußischen Adler. Die in dieser Zeit übliche Umfunktionierung der missionierenden Ordensritter zu in modern nationalem Sinn verstandenen deutschen Kulturträgern im Osten paßte in die antipolnische "Ostmarkenpolitik" des wilhelminischen Reiches seit den späten achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Selbst der damalige Hochmeister des Deutschen Ritterordens, der seinen Sitz in Wien hatte, tolerierte die Säkularisierung der Ordensidee im preußisch-deutschen Sinne. Daß Berlin sich zur selben Zeit für die Renovierung der Marienburg, des ehemaligen Sitzes der Hochmeister des Deutschen Ordens, einsetzte, unterstrich diese Tendenz des "Reitens gen Ostland". Bei den Feierlichkeiten zur Einweihung der restaurierten Marienburg 1902 demonstrierte Wilhelm II. diese Kreuzzugsidee gegen "den polnischen Übermut", wie er in seiner Kaiserrede verkündete, nicht nur verbal, er leitete auch als Protektor der Johanniter einen Festzug. Sicherlich deuteten ausländische Zeitungen dieses Verhalten richtig, wenn sie mehr darin sahen als ein Kostümfest aus Anlaß einer Einweihung.

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