Eröffnungsrede v. Prof. Harald Becker zur Ausstellung in der Galerie Isshorst 17.2.2001 |
Meine Damen und Herren,
von 1961 bis 1966 habe ich an der Hochschule für bildende Künste in Berlin studiert. Als ich zu Beginn meines Studiums hörte, daß es an der Hochschule eine Klasse Janssen gibt, dachte ich zunächst an einen ganz anderen Janssen, nämlich an Horst Janssen, der schon damals auf Grund der großen Verbreitung seiner Druckgrafik sehr bekannt und populär war. Außer der Namensgleichheit verbindet die beiden Künstler nichts; ihre Gestaltungen sind äußerst unterschiedlich, während sie beide nie die erkennbare Gegenständlichkeit in ihrer Kunst aufgegeben haben. Von einem Maler Peter Janssen hatte ich also bis dahin noch nichts gehört und das geht auch heute noch manchen Kunstfreunden, vielleicht auch Ihnen so. Ein breites Publikum kennt den populären Horst Janssen, der inzwischen in Oldenburg ein eigenes Museum bekommen hat, während Peter Janssen, der durchaus auch große Erfolge hatte, leider etwas in Vergessenheit geraten ist und heute vielleicht so etwas wie einen Geheimtipp darstellt. Ich freue mich daher sehr, daß die Galerie Isshorst mit dieser Ausstellung an einen ungewöhnlichen Künstler erinnert, der es verdient hat, wieder ins allgemeine Bewußtsein gerückt zu werden, denn in der Kunst nach 1945 in Deutschland hat Janssen eine gewichtige Rolle gespielt. Er gehörte zu den noch einmal "davon gekommenen" Künstlem -wie man damals sagte- also zu der Künstlergeneration, die vor 1933 schon auf sich aufmerksam gemacht hatte und deren Karriere durch die Geschehnisse des Dritten Reiches brutal unterbrochen wurde. Nicht nur daß Janssen Mal- und Ausstellungsverbot erhielt, sondern er gehörte auch zu den rassisch Verfolgten. Er hielt sich zeitweilig im Ausland: in Italien, Amerika und England auf. 1945 gelang ihm die Flucht aus dem Arbeitslager Lönnewitz, in das er 1944 deportiert worden war. Er konnte dann bis zum Kriegsende in Düsseldorf untertauchen. Künstlerisch war für ihn in dieser ganzen Zeit nicht viel möglich.
Janssen - 1906 in Bonn geboren- hatte in den zwanziger Jahren an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert, wo ihn der Maler Heinrich Nauen, ein Mitbegründer der Gruppe "Neues Rheinland" am stärksten beeinflußt hatte. Mit Nauen, der seinerseits u.a. besonders von Matisse geprägt war und der einen gemäßigten Expressionismus vertrat, hatte die moderne Kunst ihren Einzug in die Düsseldorfer Akademie gehalten und - weg vom akademischen Trott - die Türen für neue Formen der Gestaltung und eine unmittelbare frische Farbgebung geöffnet. In dieser Tradition stehend, versuchte Peter Janssen nach dem Kriege einen Neuanfang. Wir sehen davon einige Beispiele seiner Stilleben, Landschaften und Städtebilder, die manchmal liebenswürdig naive Züge tragen, in dieser Ausstellung.
1957 erfolgte dann auch seine Berufung als Professor an die Hochschule für bildende Künste in Berlin. Der Umzug von Düsseldorf nach Berlin hatte durchaus auch Einfluß auf seine Malerei, die - heiter rheinländisch-französisch ausgerichtet - jetzt expressiver und symbolhafter wurde. Nach meiner Einschätzung sind dann die Berliner Bilder der sechziger und frühen siebziger Jahre die eigenwilligsten und wichtigsten Werke des Künstlers. Es waren auch die ersten Bilder, die ich von Janssen zu sehen bekam. Auf vielen Ausstellungen in Berlin, vor allem auf den großen Übersichtsschauen wie der "Juryfreien" oder der "Großen Berliner Kunstausstellun in den Messehallen am Funkturm begegneten mir seine Arbeiten, die schon deswegen besonders auffielen, weil sie sich nur schwer in den Rahmen der derzeit allgemein üblichen Bildgestaltungen einordnen ließen. Um das zu verstehen, möchte ich kurz die damalige Kunstsituation im Berlin der sechziger Jahre beleuchten. Im Mittelpunkt des Interesses standen nonfigurative, völlig gegenstandslosen Bilder, die mit emotionaler Handschrift die Gefühle und Stimmungen der Künstler spontan zum Ausdruck bringen sollten. Stilistisch war das als Spätphase von Informel oder Tachismus einzuordnen. Auch die meisten Akademieprofessoren arbeiteten so. Stellvertretend für andere seien hier die Namen Hann Trier und Fred Thieler genannt. Aber diese Ausdrucksformen hatten sich weitgehend erschöpft und führten zu ständigen Wiederholungen und "Leerformeln". Sie hatten sich längst durchgesetzt, sie paßten in Konferenzimmer, Büroraume, über das häusliche Sofa, zu Nierentischen und Tütenlampen. Inzwischen hatte sich aber in England und Amerika etwas völlig Neues, die Pop-Art entwickelt, die die Kunstszene total umkrempeln sollte und frischen Wind in den vermufften Kulturbetrieb brachte. Die Popkünstler Andy Warhol, Roy Lichtenstein oder David Hockney interessierten sich wieder für Gegenständliches, Dinge und menschliche Figuren, die allerdings einer Realität aus zweiter Hand, nämlich den Konsumartikeln der Warenwelt oder der Trivialität populärer Filme und Comics entnommen wurden. In ihren Bildern zeigten die Popkünstler dies alles unverstellt, plakativ und knallbunt. Im Zusammenhang mit der Pop-Art enstand auch ein neuer Realismus, der fotografisch exakt wieder nach Inhalten suchte, und man besann sich auf die Deutsche Tradition der "Neuen Sachlichkeit" der zwanziger Jahre, auf Künstler wie George Grosz, Otto Dix, oder Max Beckmann. In dieser Zeit der Umwälzungen künstlerischer Anschauungen, stießen die ' Kunststudenten der Berliner Akademie - und nicht nur diejenigen der Klasse Janssen - auf ihrer Suche nach Orientierungen auf Peter Janssen, der wie ein Fels in der Brandung immer am Gegenstand festgehalten hatte. Janssen war kein Avantgardist oder Kunstrevolutionär, sondern eher ein Vermittler zwischen Tradition und Moderne, der Neues in seine Arbeiten aufzunehmen wußte, ohne Bewährtes über Bord zu werfen. Sein gemäßigter Expressionismus, man könnte auch sagen Spätimpressionismus der ersten Nachkriegsjahre, wandelte sich nun zu einer klarflächigen und ornamentalen Malerei mit symmetrisch aufgebauten Formen,
Die Pop-Art mag Janssen indirekt beeinflußt haben, denn sie kam seinem Streben nach Einfachheit entgegen und er änderte seinen Malstil vom handschriftlichen Duktus mit kleinen energischen Pinselhieben zum einfachen Hinstreichen großer Flächen. Die grelle Buntheit der Pop-Art finden wir in seinen Bildern jedoch nicht. Janssens Farbigkeit bleibt immer eine harmonische wohlausgewogene. Auch Primärfarben werden leicht gebrochen ins Grau abgewandelt. Die Farben sind satt und leuchtend, aber nie aggressiv. "Malerei auf der Klaviatur leiser Tönungen" so hat ein Kritiker das einmal treffend charakterisiert. Janssen erreicht jetzt eine größere dekorative Wirkung.
In seinen Arbeiten bilden meistens organisch-runde Gebilde bis zum eindeutigen Kreis das formale Grundkonzept und ein geometrisches Unifeld für die Gegenstände und gelegentlichen Menschendarstellungen.
oder bei der Wiedergabe von Eisenbahnzügen, Schiffen und Flugzeugen, die wie Spielzeug aussehen. Im Spätwerk tritt die sinnliche Wahrnehmung der Dinge und ihre direkte Umsetzung in nuancenreiche Malerei mit vielen Grauwerten und wenigen farbstarken Kontrasten wieder in den Vordergrund. Damit knüpft der Künstler auch an seine Malerei der fünfziger Jahre an, läßt sich aber jetzt noch stärker von den Stilmitteln sogenannter naiver Kunst in seinen Gestaltungen beeinflussen, was Heiterkeit, Frische und Einfachheit der Darstellungsweise betrifft. Peter Janssen scheint ein glücklicher Maler gewesen zu sein, der uns mit der Fülle des Schönen erfreut. Ein kleines irdisches Paradies tut sich auf. Die Schrecken und das Häßliche dieser Welt zu zeigen, überläßt er anderen Künstlern. Auf Janssen trifft zu, was Matisse einmal über seine eigene Kunst gesagt hat: Man möge sie so aufnehmen, wie man sich in einem bequemen Sessel von des Tages Last und Mühen ausruht. Anläßlich des Todes von Peter Janssen, der 1979 in Berlin gestorben ist, schrieb die Kunsthistorikerin Anna Klappheck in der Rheinischen Post vom 23. März 1979: "Peter Janssen war ein ursprüngliches und sinnenfrohes Malernaturell. In unmittelbarem Zugriff übersetzte er die äußere Wahrnehmung in Form und Farbe, wobei die Farbe stets dominierend blieb. Er malte Landschaften, Stilleben, Figurengruppen, jedes seiner Bilder zeugt von der Lust des Schauens und vom Glück des Malens. Er produzierte leicht, wenigstens schien es so, bei näherem Zusehen entbehren seine Bilder nicht der geheimen Symbolik und auch der formalen Ordnung. Anregungen von außen nahm er willig an und fand doch immer zu sich selbst zurück. In den späten Jahren wurde seine Malweise zunehmend einfacher, er gab den Dingen ein stilles, zuständliches Dasein. Der einstige Stürmer und Feuerkopf war ein Weiser geworden. Meine Damen und Herren, dem habe ich nichts hinzuzufügen und ich möchte Ihnen viel Vergnügen beim Betrachten der Bilder wünschen und Frau Becker und Herrn Koch von der Galerie Isshorst sehr herzlich zu dieser ungewöhnlichen Ausstellung gratulieren. Prof.Harald Becker
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