Das Türbild der mittleren Wand, wiederum einem "allgemeineren Gegenstand
aus dem Entwicklungsgang der Stadt" gewidmet, ist eine Allegorie auf die
ehemalige Erfurter Universität, "durch eine hoheitsvolle, in der Mitte
thronende ideale Frauengestalt verkörpert". In ein sie weit und
dekorativ umhüllendes Obergewand gekleidet, hält sie, dem Betrachter
frontal zugewandt, auf dem Schoß ein großes Buch, die Rechte ist lehrend
erhoben.
Den Thron der "Alma mater" umgeben vier
historische Persönlichkeiten, die Lehrer an der Erfurter Universität
waren und die vier Fakultäten in der klassischen Folge Theologie,
Philosophie, Jurisprudenz und Medizin repräsentieren. Links erblicken
wir in der Tracht der Augustiner, mit der "Biblia sacra" in seiner
Rechten, den jugendlichen Martin Luther (1483-1546), der von 1501 bis
1505 Student und 1509/11 Lehrer an der Erfurter Universität war. Nur ein
wenig von Luther verdeckt steht hinter ihm in Gelehrtentracht mit großem
Barett, mit der Rechten einen Krückstock leicht vor den Mund führend und
in der Linken ein großes Buch, der Humanist und Dichter Eobanus Hessus
(1488-1540).
Auf der anderen Seite, frontal zum Betrachter,
in Kappe und weitem Talar über dem Untergewand mit Strumpfhose Henning
Goede (um 1450-1521), "ein hervorragender deutscher Strafrechtslehrer
und einer der bedeutendsten Stadtschreiber des mittelalterlichen
Erfurts"; er hält als Zeichen seines Gelehrtenstandes ein Buch mit
beiden Händen vor sich. Rechts steht hinter ihm, ein wenig verdeckt und
im Profil bildeinwärts gewandt, im langen mittelalterlichen
Magistergewand Amplonius de Berka, auch Ratingh de Fago(1363? -1435). Er
war der zweite Rektor der Universität Erfurt.
Hinter den Gelehrten lehnen rechts und links an
den Seitenwangen des Throns Folianten als Zeichen der wissenschaftlichen
Betätigung dieser Männer. Über den Repräsentanten der Fakultäten
schweben seitlich der thronenden "Alma mater" geflügelte Genien in
feingefältelten flatternden Gewändern und mit einem Spruchband in den
Händen. Darauf sind verteilt die lateinischen Worte: Epitolae obscurorum
(links) virorum (recbts).Mit ihnen wird auf die von 1511-1520 währende
Auseinandersetzung zwischen dem Humanisten Reuchlin und den Kölner
Dominikanern hingewiesen, in welcher der Erfurter Rektor Crotur Rubianus
und Ulrich von Hutten mit den sogen. Dunkelmännerbriefen
mittelalterliche Wissenschaft und Lehrweise verspotteten.
Historischer Hintergrund der allegorischen
Darstellung der Universität Erfurt ist also vor allem ihre Geschichte im
Übergang vom späten Mittelalter zur Reformationszeit. Die einzige neben
Köln von einer Bürgerschaft begründete, am 1. Mai 1392 eröffnete
Universität Erfurt nimmt einen besonderen Platz in der Stadtgeschichte,
aber auch in der deutschen Kulturgeschichte ein. Da der Erfurt-Führer
von 1868 hier ausführlicher wird, sei er als mögliche Informationsquelle
Janssens zitiert:
(Erfurts) Hochschule war in der zweiten
Hälfte des 15. besonders aber am Anfange des 16. Jahrhunderts die
hervorragendste Pflegerin der Humanitätsstudien in Deutschland. Es war
eine ewig denkwürdige Zeit, als Eoban Hesse, Johannes Crotus, Euricus
Cordus, Johann Lange, Justus Jonas, Johannes Draconites, Joachim
Camerarius, eine Schaar von Männern, wie sie selten so vereint gefunden
wird, hier lehrten. Hier vor allem ward für die Aufklärung Bahn
gebrochen und so der grossen Kirchenverbesserung der Weg bereitet. Dass
Luther aus der Erfurter Hochschule hervorgegangen ist, kann nicht als
zufälliger Umstand angesehen werden. Von hier gingen die Epistolae
obscurorum virorum aus, welche der Scholastik, so wieder mönchischen
Unwissenheit und Anmaßung unheilbare Wunden beibrachten. Aber durch eine
wunderbare Fügung wurde gerade die Reformation, die in Erfurt eine ihrer
ersten Pflanzstätten fand, die Markscheide für die Blüthe der
Universität.
Das allegorische Bild der Universität Erfurt
hebt sich, wie mit Janssen im Arbeitsvertrag vereinbart, von einem wie
im ersten Türbild feingemusterten Goldgrund ausschnitthaft ab. Der
flächenhafte Hintergrund verbindet sich wenig mit der thronenden Figur
und den vier Fakultätsvertretern. Doch wirken die Figuren selbst
räumlich-plastisch, weil die Gelehrten auf einer real gedachten
Standfläche stehen und der Thron in Verbindung mit der Türrahmung
darunter mehr vor als zwischen ihnen aufgebaut zu sein scheint, so daß
ein räumlicher Eindruck entsteht. Er wird dadurch noch unterstützt, daß
die Figur der Alma mater im Verhältnis zu den Gelehrten übergroß gegeben
ist.