Werke von Peter Janssen dem Älteren (1844 - 1908)
Bildbeschreibung zu den Wandgemälden im Festsaal des Erfurter Rathauses
Die Universität Erfurt, 1290, 312 x 448 cm
Quelle
: Dr. Dietrich Bieber, Peter Janssen als Historienmaler (Teil 2)
Rudolf Habelt Verlag GmbH - Bonn 1979
 

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Das Türbild der mittleren Wand, wiederum einem "allgemeineren Gegenstand aus dem Entwicklungsgang der Stadt" gewidmet, ist eine Allegorie auf die ehemalige Erfurter Universität, "durch eine hoheitsvolle, in der Mitte thronende ideale Frauengestalt verkörpert". In ein sie weit und dekorativ umhüllendes Obergewand gekleidet, hält sie, dem Betrachter frontal zugewandt, auf dem Schoß ein großes Buch, die Rechte ist lehrend erhoben.

Den Thron der "Alma mater" umgeben vier historische Persönlichkeiten, die Lehrer an der Erfurter Universität waren und die vier Fakultäten in der klassischen Folge Theologie, Philosophie, Jurisprudenz und Medizin repräsentieren. Links erblicken wir in der Tracht der Augustiner, mit der "Biblia sacra" in seiner Rechten, den jugendlichen Martin Luther (1483-1546), der von 1501 bis 1505 Student und 1509/11 Lehrer an der Erfurter Universität war. Nur ein wenig von Luther verdeckt steht hinter ihm in Gelehrtentracht mit großem Barett, mit der Rechten einen Krückstock leicht vor den Mund führend und in der Linken ein großes Buch, der Humanist und Dichter Eobanus Hessus (1488-1540). 

Auf der anderen Seite, frontal zum Betrachter, in Kappe und weitem Talar über dem Untergewand mit Strumpfhose Henning Goede (um 1450-1521), "ein hervorragender deutscher Strafrechtslehrer und einer der bedeutendsten Stadtschreiber des mittelalterlichen Erfurts"; er hält als Zeichen seines Gelehrtenstandes ein Buch mit beiden Händen vor sich. Rechts steht hinter ihm, ein wenig verdeckt und im Profil bildeinwärts gewandt, im langen mittelalterlichen Magistergewand Amplonius de Berka, auch Ratingh de Fago(1363? -1435). Er war der zweite Rektor der Universität Erfurt. 

Hinter den Gelehrten lehnen rechts und links an den Seitenwangen des Throns Folianten als Zeichen der wissenschaftlichen Betätigung dieser Männer. Über den Repräsentanten der Fakultäten schweben seitlich der thronenden "Alma mater" geflügelte Genien in feingefältelten flatternden Gewändern und mit einem Spruchband in den Händen. Darauf sind verteilt die lateinischen Worte: Epitolae obscurorum (links) virorum (recbts).Mit ihnen wird auf die von 1511-1520 währende Auseinandersetzung zwischen dem Humanisten Reuchlin und den Kölner Dominikanern hingewiesen, in welcher der Erfurter Rektor Crotur Rubianus und Ulrich von Hutten mit den sogen. Dunkelmännerbriefen mittelalterliche Wissenschaft und Lehrweise verspotteten. 

Historischer Hintergrund der allegorischen Darstellung der Universität Erfurt ist also vor allem ihre Geschichte im Übergang vom späten Mittelalter zur Reformationszeit. Die einzige neben Köln von einer Bürgerschaft begründete, am 1. Mai 1392 eröffnete Universität Erfurt nimmt einen besonderen Platz in der Stadtgeschichte, aber auch in der deutschen Kulturgeschichte ein. Da der Erfurt-Führer von 1868 hier ausführlicher wird, sei er als mögliche Informationsquelle Janssens zitiert: 

(Erfurts) Hochschule war in der zweiten Hälfte des 15. besonders aber am Anfange des 16. Jahrhunderts die hervorragendste Pflegerin der Humanitätsstudien in Deutschland. Es war eine ewig denkwürdige Zeit, als Eoban Hesse, Johannes Crotus, Euricus Cordus, Johann Lange, Justus Jonas, Johannes Draconites, Joachim Camerarius, eine Schaar von Männern, wie sie selten so vereint gefunden wird, hier lehrten. Hier vor allem ward für die Aufklärung Bahn gebrochen und so der grossen Kirchenverbesserung der Weg bereitet. Dass Luther aus der Erfurter Hochschule hervorgegangen ist, kann nicht als zufälliger Umstand angesehen werden. Von hier gingen die Epistolae obscurorum virorum aus, welche der Scholastik, so wieder mönchischen Unwissenheit und Anmaßung unheilbare Wunden beibrachten. Aber durch eine wunderbare Fügung wurde gerade die Reformation, die in Erfurt eine ihrer ersten Pflanzstätten fand, die Markscheide für die Blüthe der Universität. 

Das allegorische Bild der Universität Erfurt hebt sich, wie mit Janssen im Arbeitsvertrag vereinbart, von einem wie im ersten Türbild feingemusterten Goldgrund ausschnitthaft ab. Der flächenhafte Hintergrund verbindet sich wenig mit der thronenden Figur und den vier Fakultätsvertretern. Doch wirken die Figuren selbst räumlich-plastisch, weil die Gelehrten auf einer real gedachten Standfläche stehen und der Thron in Verbindung mit der Türrahmung darunter mehr vor als zwischen ihnen aufgebaut zu sein scheint, so daß ein räumlicher Eindruck entsteht. Er wird dadurch noch unterstützt, daß die Figur der Alma mater im Verhältnis zu den Gelehrten übergroß gegeben ist.

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