Und von der Stätte der Arbeit führt uns der Maler in dem Hauptbilde an
den Ort fröhlichen Waffenspieles. Ein Turnier hat soeben sein Ende
erreicht, schmetternd künden es die Fanfaren der zahlreichen Menge.
Freudig bewegt empfängt der junge, stattliche Sieger von der Hand der
Festkönigin den Lohn seiner Tapferkeit; Seinen Widersacher im Spiele
dagegen führt man soeben vom Kampfplatze weg.
Wie
die kurze Beschreibung von Reiners sagt, hat Janssen den Moment nach dem
Sieg des jungen Ritters und kurz vor der Krönung durch die "Festkönigin"
dargestellt, die schon den Ehrenkranz in Richtung auf den Ritter zu über
der Brüstung hält.
Das
Bild zeigt vor allem den Rand des Turnierplatzes, wo die Tribüne für die
höfische Gesellschaft diagonal von rechts vorne zum Mittelgrund hin
aufgebaut ist, ein Holzgerüst wohl mit übermannshoher Brüstung und einem
auf Rundstützen, die vorne sichtbar werden, ruhenden Dach. Während sich
zum Vordergrund hin über die ganze Bildbreite bis zum Türdurchbruch das
Sandgelände des Kampfplatzes ausdehnt, sieht man links, mehr zum
Mittelgrund, entlang eines geschlossenen Holzzaunes, hinter dem sich das
zuschauende Volk aufhält, den Zugang zum Kampfplatz, der durch hohe
Fahnenstangen bezeichnet ist. Von ihnen herab wehen oben vom Bildrand
überschnittene helle Flaggen. Die Fahnenstangen sind mit
bändergeschmückten, prall gesteckten Girlanden verbunden.
Die
Hauptszene ist im Blickpunkt des Bildes leicht von der Mittelachse nach
rechts abgerückt. Auf einem nur mit Mühe durch den rechts stehenden
Knappen gebändigten Pferd, das den Kopf nach links zurückwirft und die
Schabracke vorne schon zum Zerreißen gebracht hat, sitzt der Sieger bis
auf den entblößten Kopf in voller Rüstung. Er verbeugt sich nach rechts
formvollendet vor der jungen Festkönigin, die im höfischen Hennin, über
einen auf der Brüstung vor ihr hängenden rankengesäumten Teppich hin,
mit kaum bewegtem, vielleicht etwas verlegenen Gesichtsausdruck den für
den jungen Ritter bestimmten Kranz nach unten hält. Zur Rechten der
jungen Dame steht eine matronenhafte Frau mit riesiger Haube, wohl die
Mutter des Fräuleins; diese mit Humor geschilderte Dame schaut leutselig
und befriedigt von oben herab auf den Ritter.
Im
linken und rechten Teil der Tribüne wird eine Fülle von höfisch
gekleideten Personen vorgeführt, die mit den verschiedenartigsten Mienen
und Gesten das Geschehen verfolgen bzw. kommentieren. Besonders fallen
auf in der ersten Reihe von links nach rechts: der vorne auf der
Brüstung mit über dem Bauch gefalteten Händen sitzende lachende Hofnarr,
erkenntlich an seiner Schellenkappe, ein sich weit vorbeugender
hutbedeckter Mann und die freundlich herabblickende jüngere Frau mit dem
winkenden Kind. Hinter der Matrone drängt ein die rechte Hand erhebender
Mann nach vorne. Auf der Seite zum rechten Bildrand hin gefällt sich
besonders die lässig mit dem linken Ellbogen aufgestützt sitzende junge
Dame mit dem breitrandigen Hut; rechts von ihr reicht ein blondlockiges
Mädchen über die Brüstung hin dem Ritter eine Blume zu. Darüber sind
ältere Menschen mit gefurchten Gesichtern zu erkennen.
Zum
rechten Bildrand leitet das Gesicht der neben der Rundstütze stehenden
alten Frau mit dunkler und vor ihr das der jüngeren Lachenden mit weißer
Haube über. Von diesen Gestalten aus fällt der Blick auf die
Fanfarenbläser im Vordergrund rechts. Ihre Pferde, ein dunkles mit
heller Blesse für den weiter hinten befindlichen Mann und das vordere
mit gestreifter Schabracke, aus der nur die Augen und das Maul
herausschauen, sind vom Bildrand überschnitten und schließen in
vielleicht zu starkem Repoussoir die Komposition nach rechts hin ab.
Beide Bläser sind gut sichtbar. Während der erste - entsprechend der
Haltung seines Pferdes - die Fanfare nach unten haltend bläst, hält der
hintere sie, Kopf und Hände erhoben, schräg nach oben und spielt er mit
fast geschlossenen Augen auf seinem Instrument. Über den Köpfen der
Bläser werden bis zur Bildecke oben rechts weitere Frauen auf der
Tribüne sichtbar, so besonders eine Gestalt mit trapezförmiger Haube und
rechts oben die nachdenklich ihr Kinn aufstützende junge Frau mit dem
Hennin.
An
der anderen Seite der Tribüne haben drei Reiter Aufstellung genommen.
Der am meisten innen befindliche mit breitkrempiger Kopfbedeckung und
hell-dunkel-gestreifter Strumpfhose auf einem kurzköpfigen dunklen Pferd
blickt sich zur Festkönigin um und drückt mit der Linken den mit hohen
Federbüschen bekrönten Turnierhelm des Siegers an den Oberkörper. Hinter
dem mit erhobenem Kopf stehenden Pferd werden zwei weitere Rosse
sichtbar, eines, das nach unten schaut, ein anderes, das den Kopf auf
die Zuschauer links hin richtet. Es sind die Reittiere der Bläser auf
dieser Seite, deren einen man links von dem helmhaltenden Knappen mit
hocherhobenem Instrument blasen sieht. Die Fanfare des zweiten ist ein
wenig darunter, der Kopf des Bläsers kaum über dem des vorne stehenden
Pferdes zu erkennen.
Während so das Geschehen vor der Tribüne repräsentativ durch die zwei
Bläsergruppen auf Pferden gerahmt wird, ist im Vordergrund halblinks ein
Knappe des Unterlegenen im Turnier damit beschäftigt, dessen zu Fall
gekommenes Pferd abzuhalftern. Dabei hockt der Mann am Boden und schaut
mit grimmigem Gesichtsausdruck auf die Siegerehrung. Über die hellen
Flecken der Turnierdecke des gefallenen Pferdes schaut der Betrachter
weiter zum linken Bildrand, wo im Mittelgrund als Abschlußgruppe der
Szene der im Turnier Besiegte, bildeinwärts von zwei Helfern weggeführt
wird. Er hat den Arm um die Schulter des rechts von ihm gehenden Knappen
im kurzen Kapuzenmantel gelegt, sackt aber in einem Schwächeanfall nach
links ein, so daß der dort gehende Helfer den geschlagenen Ritter
zusätzlich um den Oberkörper auffangen muß. - Weiter zum Hintergrund
sieht man mehr kizzenhaft die nichthöfischen, meist barhäuptigen
Zuschauer hinter ihrem Holzzaun, auf dem keck ein Junge mit Bundhose und
barfüßig vorgestreckten Beinen sitzt. Der Betrachter muß sich
vorstellen, daß der unterlegene Ritter an den Zuschauern vorbei von der
Kampfstätte weggeführt wird, was für ihn eine Art Spießrutenlauf
bedeutet. Den Hintergrund des Bildes achließen links über einem
ansteigenden Wiesengelände buschige Bäume ab.
Die
Komposition des Turnierbildes ist unter Einbeziehung des Türrahmens,
hinter den das gefallene Pferd mit dem Knappen wie hinter einem anderen
den Blick verstellenden Gegenstand geschickt komponiert ist,
wirkungsvoll aufgebaut durch den leichten Diagonalzug von vorne rechts
zum Mittelgrund mit der Siegerehrung. Als leichtere Gegenbewegung ist
vom Bildirand links die Gruppe des Unterlegenen, die sich optisch mit
den benachbarten Bläsern verbindet, hinzugefügt. Der Sieger, obwohl
nicht im Mittelpunkt des Bildes, lenkt dadurch die Blicke auf sich, daß
sein Pferd in Unruhe dargestellt ist. Dadurch gerät die am Saum gezackte
Schabracke in Bewegung und fällt als mehrfach aufgerissene Form
besonders auf. Die wie zufällig wehenden Fahnen sind kompositionell
links auf den Unterlegenen und rechts auf den Sieger hin orientiert, so
daß auch durch diese Blickführungsmittel die zwei möglichen "Ausgänge"
des dargestellten Vorgangs beleuchtet werden. Ein Betrachterbezug
entsteht besonders am Bildrand rechts durch das aus dem Gemälde
herausschauende Pferd.
Das
Turnierbild ist als einziges der Reihe (1458) signiert, rechts oberhalb
vom Kaminrand ist zu lesen "P. Janssen".