Und während jene dem Waidwerk frönen, scharen sich im traulichen
Burgstüblein die Kinder um die erzählende Ahne, die in Sängen und Sagen
die graue Vorzeit vor ihnen lebendig werden läßt.
Als Pendant des kleinen Bildes links des
Jagdausrittes ist rechts ebenfalls ein Innenraumbild angebracht: die
Märchenerzählerin. Im Zentrum des Gemäldes sitzt die Ahne in einem
großen Lehnstuhl, der entlang einer etwas schräg nach hinten ins Bild
verlaufenden Wand aufgestellt ist.
Im Alter kleiner geworden, hat die Großmutter ihre
Füße auf einen Schemel gestellt. Ihr feines Gesicht wird von einer Haube
eingefaßt. So schaut die alte Frau mit großen sinnenden Augen in den vor
ihr brennenden Kamin, dessen kräftig hereinreichende Seitenwand das Bild
rechts begrenzt. Die Großmutter hat die rechte Hand im Erzählen erhoben
und hält mit der anderen auf ihrem Schoß den kleinsten Zuhörer, der sich
halb aufgerichtet, halb liegend mit dem Kopf an sie schmiegt.
Die anderen Kinder umgeben in verschiedenen
Stellungen den Lehnstuhl. Auf der linken Seite vorgebeugt am Boden
sitzend, in Zipfelmütze und Stiefeln, kehrt ein Junge mit über die Beine
gelegten Armen dem Betrachter seitwärts den Rücken zu. Links über dem
Jungen, halb von einem Hocker rutschend und sich an den rechten Arm der
Ahne hängend, befindet sich ein im Profil gegebenes stupsnäsiges
Mädchen. Es trägt ein Häubchen und ein langes Trägerkleid, in dem die
dunkleren Ärmel eingesetzt sind. Den Bildrand links schließt eine nicht
gut zu erkennende, dort anscheinend kauernde Gestalt ab, ein Junge oder
ein Mädchen mit etwas gewelltem längeren Haar. Das Kind scheint seine
Hände, ein wenig sich gruselnd, unter einem weißen Stoff verborgen zu
halten und lehnt die linke Kopfseite an die Sesselwange, um sich ein
wenig zu verstecken.
Die zweite
Kindergruppe befindet sich rechts teils über, teils neben dem Stuhl der
Alten. Hinter ihm steht - im Profil nach rechts aus dem Fenster
blickend, durch das der Vollmond sichtbar wird - ein größeres Kind mit
kegelförmiger Kopfbedeckung. Das feine Gesicht dieses Kindes kann ebenso
das eines Mädchens wie das eines Jungen sein, doch spricht der am
Ellbogen geschlitzte Ärmel eher für ein Mädchen. Es hat die Hände über
den Stuhl der Großmutter gelegt und gibt so seine Verbundenheit mit ihr
zum Ausdruck. Unten rechts sitzt auf einem niedrigen Stuhl, dessen
Polsternägel ein wenig aufleuchten, ein Junge mit kurzem Haarschnitt. Er
hat das linke Bein vorgestellt, stützt seinen Arm mit dem in die Hand
gedrückten Gesicht darauf und hört mit ängstlich geweiteten Augen, zwei
Finger der rechten Hand in den Mund legend, den Erzählungen der Ahne zu.
Hinter diesem Jungen wird schließlich, schon leicht von dem Kaminrand
überdeckt, noch ein Kind mit einem Käppchen sichtbar; es hat lässig die
rechte Hand über die Stuhllehne vor sich gelegt und hört mit aus dem
Bild gewandtem Blick auf die Erzählungen der Großmutter. Im Vordergrund
rechts, nur zu vermuten nach dem Kopf, von dem die Ohren spitz abstehen,
scheint im Schatten des Kamins eingerollt ein kleineres Haustier, ein
Hund oder eine Katze, zu liegen.
Deutlich hat Janssen
psychologisch die verschiedenartige Wirkung der von der Alten erzählten
Geschichte in Gebärden und Gesichtsausdruck der Kinder wiedergegeben.
Als Pendant zu dem Bild auf der anderen Seite der “Jagd“ ist in der
"Märchenerzählerin" das Verhältnis von Figurengruppe und Kamin
umgekehrt: hier schauen wir von der Kaminseite her in die beleuchteten
Gesichter der Menschen. Dabei ist es malerisch reizvoll, wie das Licht
von den Hauptstellen - dem Kopf der Alten, dem Rücken des auf ihrem
Schoß befindlichen Kleinen, der Schürze über ihren Knien und den Köpfen
bzw. Händen der ihr zunächst befindlichen Kinder - langsam zu den
Bildrändern hin an Intensität verliert. Der große Schatten, den das
hinter der Großmutter etehende Kind an die Wand wirft, die im
Hintergrund sich zeigenden Dunkelheiten und die mächtige, beschattete
Form des Kamins rechts im Vordergrund bedingen besonders die halb
anheimelnde, halb "gruselige" Stimmung, die das Bild ausstrahlt.